Jülich. Einen großartigen Liederabend
boten die Jülicher Schlosskonzerte mit den Interpreten Anna
Pehlken (Sopran) und Stefan Irmer (Klavier). Von größter
Harmonie geprägt war der Vortrag der beiden Musiker, bei dem
selten aufgeführte Werke zu hören waren.
Schon beim ersten Lied von Pauline Viardot
und Fryderyk (Fréderic) Chopin „Aime-moi“ wurde klar, dass
sowohl Stimme wie Vortrag von der Sopranistin etwas ganz
besonderes darstellten. Ihre flexible, geschmeidige Stimme,
das weiche Timbre und die Leidenschaft ihres Vortrages
beeindruckten ungemein. Die Werke wurden in der
Originalsprache gesungen, Lautklang und Authentizität waren
so gewährleistet.
Spätromantik
Polnische, spätromantische Literatur
begegnete dem Zuhörer in den Werken von Viardot und Chopin.
„Hai luli“ und drei Werke aus den polnischen Liedern der
Komponisten lebten von der eigenen klanglichen Harmonie, die
einen eigenen Stil repräsentieren. Alte Gedichte mit
polnischen Sprachwurzeln inspirierten die Komponisten.
Die Poesie vermochte Anna Pehlken durch
Lautmalerei und Sprache für den Zuhörer spürbar und
nachempfindbar zu machen. Die Worte sind schier
unübersetzbar, da sie Wortschöpfungen der Dichter und
Aneinanderreihungen von Lauten sind, die in der
musikalischen Sprache ihren ureigensten Ausdruck finden. Die
Synthese von Wort und Musik taucht tief in die Volksmusik
hinein.
Die Geschichten von Liebe und Leid, von
Sagen, Märchen und Legenden von Karol Szymanowski wurden
durch den einfühlsamen Vortrag der Sängerin und ihre warme
Sopranstimme lebendig.
Feinste Zwischentöne
Mühelos und mit weichem Timbre wie auch mit
dramatischer Dynamik inszenierte sie die verschiedensten
Werke. Bei den drei Liedern von Richard Strauss agierte Anna
Pehlken in feinsten Zwischentönen von Piano bis Forte. Ihr
Vortrag beherrschte die Palette von größter Zartheit bis zu
größter Dramatik.
Ihre Stimme war gleichzeitig Instrument und
Ausdrucksmittel. In Stefan Irmer hatte sie einen Partner,
dessen Klavierpart je nach Komposition angepasst dezent bis
zur eigenständigen Stimmgebung reichte. Das gemeinsame
Musizieren war von größtmöglicher Harmonie geprägt.
Stationen
der Liebe
Interessant waren auch die sechs Romanzen von
Sergej Rachmaninoff, die 1916 kurz vor seinem Exil
entstanden und Texte von unterschiedlichen Dichtern
verarbeiteten. Stilistisch hat die Lyrik nichts miteinander
zu tun. Aber die Stationen einer Liebesbeziehung ziehen sich
wie ein roter Faden durch die Komposition und weisen den Weg
von der zarten Anfangsbeziehung bis hin zur Ekstase der
letzten euphorischen Phase. Die Intervalle, deren Dichte und
Enge sich zusehends weiten, begleiten diesen Weg. Auch die
Tonarten sind dieser Thematik angepasst.
Orchestrale Opulenz
Solistisch bei diesen Werken ist der
Klavierpart geprägt, alle pianistischen Möglichkeiten sind
auskomponiert.
Gleichberechtigt zu der Gesangsstimme hatte
Stefan Irmer Gelegenheit, sein pianistisches Können in der
orchestralen Opulenz der Melodien zu zeigen. Brillant war
das als Prélude vorgetragene Lied „Gänseblümchen“ in einer
Solofassung für Klavier.
Größte Harmonie, eine Sängerin, die mit
Stimme und Ausstrahlung bezauberte, ein Pianist mit
brillantem technischen Können und der Gabe der angepassten
und trotzdem eigenständig aussagekräftigen Begleitung,
selten aufgeführte Werke bescherten den Besuchern in der
Schlosskapelle ein einmaliges Konzerterleben.
Großer Applaus dankte den sympathischen
Künstlern. Zwei Zugaben erfreuten das Publikum. Besonders
der Beitrag „Summertime“ zeigte noch einmal die
Vielseitigkeit und Ausdrucksstärke von Anna Pehlken. (hivi)